Samstag, 3. September 2011

Ausgrabungen Teil 2


Die Stille
Teil 2 der Trilogie.
Diese Stille, die sie fast schmerzhaft spürten unterbrach Jupp. Ihm fiel dessen Weinglas aus der Hand und der letzte Tropfen Hochheimer Hölle spritzte auf die blanke Tischplatte. Die Weintropfen zersprangen wie Glasperlen und bildeten letztlich eine kleine Lake auf dem Holz.
Fritz zwei ergriff das Wort. Seine ruhigen Worte zerschnitten das unerträglich werdende  Schweigen. Nun wird die Welt nie erfahren, ob du nicht doch einem gut gemachten Schwindel aufgesessen bist. Sie wird auch nie erleben müssen, was geschehen wäre, wenn… wenn die Tafeln echt und du nicht der Versuchung hättest wiederstehen können?
 Nun hört meine Geschichte:
Ich besuchte1999 das Kloster St. Paulus in Worms. Mich führte die Klärung einer früheren Grabung hier her. Mein Interesse galt dem Ursprung einer Salierburg im frühen Mittelalter.
Die Dominikanermönche des Klosters bewirteten mich vortrefflich. Am Nachmittag des Johannitages schlenderte ich gedankenverloren durch den sommerlichen Klostergarten. Ein Mönch gesellte ich zu mir. Es war Bruder Dominus und zuständig für die Bibliothek des Klosters. Er ging gebückt. Sein Alter schätzte ich auf achtzig Jahre. Bruder Dominus sprach mich an. Er fragte direkt: Sind sie nicht Archäologe und erforschen die Geschichte der früheren Burgbefestigung? Auf dessen Grundmauern errichteten die ersten Mönche die damaligen Gebäude des Klosters.
Das bin ich, antwortete ich. Wobei  es bei meinen Nachforschungen mehr um die Möglichkeit einer Grabung in den Kellerräumen der  Basilika geht.
Ich verstehe, sagte der Mönch. Ich möchte ihnen etwas zeigen. Wenn sie mir bitte in die Bibliothek folgen wollen. Neugierig schloss ich mich ihm an. Mit müden, sehr langsamen Schritten, wie es für einen alten Mann typisch ist, erreichten wir nach einigen Minuten den angesagten Raum. Halbdunkel  umgab uns. Überall an den Wänden sah ich viele Bücher. Es ist das Werk der frommen Männer des Klosters. Der alte Mönch nahm meine Hand und führte mich in einen kleinen, separaten Raum. Er erklärte mir: Hier schrieben die Mönche einst an den drei Schreibpulten  ihre Bücher. Nur unterbrochen von den vorgeschrieben Gebeten und Riten des Klosterlebens. Bis sie der Herr, in seinem unerforschlichen Willen und Güte, zu sich in sein Reich holte.
In einem der oberen Regale fand ich diese Blätter aus Pergament, sprach er leise.  Es ist in einer mir völlig unbekannten Sprache verfasst und sehen sie selbst. Ganz vorsichtig, mit der Geduld eines Wissenden öffnete er  eine Schatulle und entrollte die vergilbten und an seinen Rändern etwas beschädigten Schriftstücke. Nur ein dünner, alter Lederriemen hielt die einzelnen Teile notdürftig zusammen.
Ein Blick von mir  auf die Schriftzeichen genügte mir. Diese Schrift ist in der Sprache der Nordvölker geschrieben. Runen füllten die einzelnen Blätter.
Fritz Zwei unterbrach seine Erzählung mit einer Erklärung. Einige Jahre dürfte ich in Gotland arbeiten.  In dieser Zeit erwarb ich mir mein Wissen  über die Sprachen der Nordvölker. Meine Forschungsarbeit galt den Spuren des großen dänischen Forschers Carl Christian Rafn.
Soweit meine kleine Abschweifung.  Genau dieses Lernen von damals ermöglichte mir jetzt einen ersten, wissenschaftlichen Überblick. Sowie eine grobe Analyse dieses Fundstückes des alten Mönches.
Wieder machte „Fritz Zwei“ eine Pause und griff, folgend der restlichen Runde nach dem Glas. Lasset uns trinken auf das Hier, Jetzt und Heute. Auf die Zukunft und auf die Vergangenheit. Trinken wir auf die Menschen die vor uns lebten, wirkten, Kinder zeugten und endlich starben in dem Glauben an eine göttliche Ewigkeit.  Dieser Wein ist es wert auf alle Zeiten zu trinken.
Behutsam stellte er sein Glas zurück. Er hatte es bis zur Neige geleert.  Er holte tief Luft, als wolle er die Kraft der ganzen Welt mit diesem einen Atemzug in sich einsaugen und begann erneut zu erzählen.
Eine Lupe, ein helles Licht und der Platz an einem der Tische ermöglichten mir, das Dokument genauer zu studieren. Der alte Mönch beobachtete mich genau. Was können sie ersehen? Fragte er neugierig. Ich wich seiner Neugierfrage aus. Es ist eine nicht sattelfeste, vorläufige Expertise. Geschrieben in der Sprache und den Schriftzeichen der Nordvölker. Verfasst in der Zeit der Völkerwanderung um 300 nach Christi. Dafür sprechen einige typische Rundenzeichen. Dort gebräuchlich um 200 bis 300 n.Chr.
Der Text handelt von einem König. Dem Untergang seines Reiches. Sowie von Verrat. Einem feigen Mord. Berichtet wird von einem großen Schatz. Nach den hier vorliegenden Aufzeichnungen versenkten die damaligen Menschen den Schatz bei Worms in den Rhein. In der genauen Beschreibung ist von einem großen Felsen im Rhein die Rede. Er befand sich direkt in des Stromes Mitte. Bei Niedrigwasser, was auf die Sommerzeit schließen lässt, konnten die damaligen Menschen den dortigen Stromfelsen zu Fuß erreichen. Der Felsen zeichnete die Furt über den Strom. Hier versenkte Hagen den Schatz.
Meine erste Deutung bestätigte mir, ich hielt eine Urfassung des Nibelungenliedes in meinen Händen. Viel früher und genauer beschrieben, als alle bis jetzt gefunden Dokumente.  In meinen Händen hielt ich die Lösung vieler Rätsel.
Ich erkannte die Bedeutung dieses Tages. Der alte Mann neben mir, erkannte meine innerliche Spannung. Er spürte die neue, knisternde Atmosphäre, die mich wie ein elektrisches Spannungsfeld umgab. Mir war klar, ich konnte und dürfte diesen frommen Kirchenmann nicht belügen. Ich hatte die Pflicht und Schuldigkeit, ihm die volle Wahrheit zu berichten.
Niemand störte uns hier. Ich erklärte ich ihm den Inhalt der Schriften. Er erfasst die Tragweite meiner Worte. Eine Veröffentlichung dieser Geheimnisse stört  für Jahre die Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters. Es kämen Glücksritter, Hasardeure, allerlei zwielichtige Gestalten. Forscher und solche, die sich dafür halten, würden den Frieden des Klosters brechen.
 Der alte Mönch faltete die Hände. Er begann inbrünstig zu beten. Seine faltigen, blutleeren Lippen bewegten sich kaum. Ich spürte die Andacht, die Seelenruhe, die den Raum ausfüllte. Er beendete sein Zwiegespräch mit Gott. Er schaute mich an. Seine Geistkraft erfasste mich.  Wir bildeten eine Einheit der Gedanken.  Langsam und sehr behutsam umwickelte ich jeden Blatt dieser uralten Schriften. Ich reichte sie dem Mönch. Wortlos ergriff er diesen unbeschreiblich, kostbaren Schatz der Geschichte.
Mit jetzt deutlich festeren Schritten ging er in einen weiteren Nebenraum. Nach einigen Minuten kam er mit leeren Händen zurück. Erst jetzt sagte er, es ist gut so. In einer späteren Zeit, wird eine neue Generation von friedliebenden Menschen diese Rolle finden. Sie werden das Wissen zum Segen aller Menschen nutzen. In diesem Moment ertönte die Glocke des Klosters. Sie rief ihn zum Abendgebet.  Dorthin, wo die wahren Gesetze Gottes nicht verloren sind….

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